Trotzdem blieb ich höflich. Bestimmt. Freundlich. Bis zwei Wochen vor der Hochzeit, als sie das Foto schickte.
Ein schimmerndes weißes Kleid. Perlenbesetzt. Federbesetzt. Fast leuchtend. Dazu eine Nachricht:
„Das passt doch zu deiner Einrichtung, oder? Ich kann es kaum erwarten!“
Ich spürte, wie der Boden unter mir nachgab.
Daniel erkannte es endlich – die Manipulation, die Kontrolle. Er rief sie an. Versuchte, sie zu überzeugen. Flehte.
Judith spielte die Märtyrerin wie eine erfahrene Schauspielerin.
„Oh, jetzt bin ich also die Bösewichtin, weil ich gut aussehe? Soll ich das nächste Mal in Sackleinen kommen? Oder vielleicht komme ich einfach gar nicht.“
Aber ich hatte nicht vor, mit einer Dame Dame zu spielen, die glaubte, sie würde noch Hof halten.
Also rief ich Nick an.
Nick, unser Hochzeitsfotograf, war ein Freund eines Freundes und bekannt für seine atemberaubenden Schnappschüsse und seinen schrägen Humor. Als ich ihm die Situation mit Judith erklärte, grinste er, als ob ihm eine kreative Herausforderung auf dem Silbertablett serviert worden wäre.
„Oh, ich hatte schon mal mit einer Schwiegermutter zu tun, die Weiß trug“, sagte er. „Vertrau mir – ich schaffe das.“
Der Hochzeitstag kam. Sonnenlicht fiel durch die Wildblumen, Daniels Augen füllten sich mit Tränen, als er mich in meinem Kleid sah, und für einen Moment hielt die Welt den Atem an.
Und dann kam Judith.
Sie trug das Kleid. Weiß. Schimmernd. Federn. Ein Schlitz, so hoch, dass er schon fast einen Skandal auslöste. Sie kam herein wie eine Braut, die sich in die falsche Zeremonie verirrt hat. Atembeschwerden folgten ihr wie eine Parfümspur.
Aber ich zuckte nicht zusammen.
Nick, der auf der anderen Seite des Veranstaltungsortes stand, fiel mir ins Auge – und nickte.
Der Rest des Tages verlief wunderschön: Gelübde unter blühenden Bögen, funkelnde Lichter beim Abendessen, Gelächter, das durch die Dachsparren der Scheune hallte. Und Judith? Sie sog die Aufmerksamkeit wie Champagner auf – sie mischte sich in Gruppenfotos ein, posierte neben Daniel und flüsterte jedem in Hörweite Kritik zu.
Lass sie posieren , dachte ich. Lass sie strahlen.
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